In Ergänzung zum vergangenen Betriebsrätetag der Geschäftsstelle

Neues aus dem Arbeitsrecht

FAQ - Rechtssichere Betriebsratsvergütung. Stand 08.11.2023 Die folgenden Ausführungen beruhen auf den bisher bekannten Materialien, insbesondere dem Kabinettsbeschluss vom 01.11.2023. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens können sich jederzeit Änderungen ergeben.

Warum werden die Regelungen zur Vergütung von Betriebsräten erweitert?


Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Januar 2023 entschieden, dass sich Personalverantwortliche strafbar machen können, wenn sie einem Betriebsratsmitglied eine überhöhte Vergütung gewähren. Der Verstoß gegen das Begünstigungsverbot nach § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kann den Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 Straf-gesetzbuch (StGB) erfüllen.
Bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern hat der BGH engere Grenzen gezogen als das Bundesarbeitsgericht (BAG). So entstand der Eindruck, dass sich ein freigestelltes Betriebsratsmitglied maximal wie seine Vergleichsgruppe entwickeln kann.
Das BGH-Urteil hat in der Praxis zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt. Teilweise haben Arbeitgeber Betriebsratsmitgliedern die Vergütung gekürzt und Rückforderungen geltend gemacht. In anderen Fällen wurden alle Betriebsräte unter Generalverdacht gestellt und ihre Eingruppierung überprüft. Presseberichten zufolge sahen sich einzelne Unternehmen mit anonymen Anzeigen und entsprechenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen konfrontiert. Das führte in vielen Betrieben zu einer Störung des Betriebsfriedens.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die Forderung nach einer Ände-rung des Betriebsverfassungsgesetzes aufgegriffen und eine Expertenkommission "Rechtssicherheit in der Betriebsratsvergütung" eingesetzt, die bis Anfang Juli 2023 konkrete Vor-schläge zur Regelung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern erarbeiten soll.
Unabhängig von der genannten BGH-Entscheidung fordert die IG Metall schon lange eine Änderung der maßgeblichen Regelung im Betriebsverfassungsgesetz um faire Entwicklungsmöglichkeiten in Bezug auf das Entgelt auch für Betriebsratsmitglieder sicher zu stellen.

 


Was hat die Expertenkommission vorgeschlagen?


Die Kommission hatte den Auftrag, die aktuelle Rechtslage zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern zu beleuchten und Vorschläge zu unterbreiten, wie die verantwortungsvolle Aufgabe der Betriebsräte auch in Zukunft gerecht und rechtssicher gewährleistet werden kann. Die Ergänzungen in § 37 Abs. 4 und § 78 BetrVG halten am Grundsatz des Ehrenamtsprinzips fest und dienen der Klarstellung und Schaffung von mehr Rechtssicherheit.
Die Vorschläge der Kommission wurden Ende September 2023 (- bericht-betriebsratsverguetung.pdf (bmas.de) -) veröffentlicht und bilden die Grundlage für die Novellierung der §§ 37 und 78 des Betriebsverfassungsgesetzes.

 


Wie sieht die Neuregelung aus?


Dem § 37 Abs. 4 BetrVG werden folgende Sätze angefügt:
„Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsver-einbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“
Dem § 78 BetrVG wird folgender Satz angefügt:
„Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Krite-rien erfüllt und die Festlegung nicht ermessenfehlerhaft erfolgt.“

 


Wie bewertet die IG Metall die Regelungen?


Mit der Erweiterung werden die entstandenen Unsicherheiten beseitigt. Der Betriebsfrieden kann wiederhergestellt und der Wille des Gesetzgebers, Betriebsräte angemessen zu behandeln, umgesetzt werden. Wir begrüßen daher die Vorschläge.
Wir setzen uns weiterhin für die bessere und leichtere Anerkennung der verantwortungsvollen Aufgabe der Betriebsräte ein. Sie sind und bleiben eine tragende Säule unserer Demokratie. Aus unserer Sicht sind daher weitere Verbesserungen notwendig. Der Deutsche Ge-werkschaftsbund (DGB) hat hierzu einen Vorschlag vorgelegt.

 


Worin unterscheiden sich die Regelungen in § 37 Abs. 4 BetrVG und § 78 BetrVG?


§ 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG regelt eine Entgeltuntergrenze für Betriebsratsmitglieder. Das Ar-beitsentgelt darf nicht geringer sein als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Das Betriebsratsmitglied soll vor finanziellen Nachteilen wegen der Ausübung der Betriebsratstätigkeit geschützt werden. Maßgeblich ist, ob das Betriebsratsmitglied während der Dauer seiner Betriebsratstätigkeit seiner Ent-geltentwicklung hinter vergleichbaren Arbeitnehmern zurückgeblieben ist.
§ 37 Abs. 4 BetrVG soll die Durchsetzung des Benachteiligungsverbots durch einfach zu beweisende Anspruchsvoraussetzungen erleichtern. Die Vorschrift enthält jedoch keine ab-schließende Regelung über die Höhe der Vergütung. Insbesondere auch keine Regelung wie die Vergleichsgruppe zu erstellen ist.


Aus dem Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG entsteht eine weitere Anspruchs-grundlage für das zu ermittelnde Einkommen eines Betriebsratsmitglieds. Es soll sich be-ruflich so entwickeln, wie es sich ohne Übernahme des Betriebsratsamtes vermutlich ent-wickelt hätte. Daraus kann sich ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Abschluss ei-nes (Änderungs-)Arbeitsvertrages im Sinne des. § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit einer höheren Vergütung ergeben. Das ist dann der Fall, wenn sich die Zahlung einer gerin-geren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds gerade wegen seiner Be-triebsratstätigkeit darstellen würde. Das hat das BAG mehrfach entschieden.

 


Zu welchem Zeitpunkt erfolgt die Festlegung der zu vergleichenden Gruppe?


Die Vergleichsgruppe wird nunmehr auch gesetzlich auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes festgelegt. Das entspricht der Rechtsprechung. Das gilt sowohl für nicht freigestellte als auch für freigestellte Betriebsratsmitglieder.

 


Was geschieht, wenn Vergleichspersonen fehlen?


Dann können vergleichbare Arbeitnehmer eines anderen Betriebes herangezogen werden. Fehlen auch dort Vergleichspersonen, ist auf die betriebsübliche Entwicklung der nächst vergleichbaren Arbeitnehmergruppen abzustellen und das Mindestentgelt zu schätzen.

 


Kann sich die Vergleichsgruppe verändern?


Die Vergleichsgruppe kann verändert werden, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt. Die Gesetzesbegründung nennt hier den beruflichen Aufstieg eines Betriebsratsmitglieds. Erfüllt es die Voraussetzungen für eine höher dotierte Stelle, kann es mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Änderungsvertrag abschließen. Dies kann aber auch in die andere Richtung gehen, wenn eine geringer dotierte Stelle vereinbart wird. Diesen Fall hat das BAG bereits entschieden (23.11.2022 – 7 AZR 122/22).
Daher sollten alle Karriereschritte auch in Änderungsverträgen festgehalten werden. Andernfalls hat man keine klare Grundlage um eine neue Vergleichsgruppe festzulegen.

 


Was kann in diesem Zusammenhang in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden?


Es kann das Verfahren zur Ermittlung von Vergleichsgruppen geregelt werden.
Die Betriebsparteien können dann anhand dieser Vergleichskriterien konkrete Vergleichspersonen bestimmen und dies in Textform (§ 126b BGB) festlegen.
Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit und die Festlegung der Vergleichspersonen sind dann nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar.
Zu einem späteren Zeitpunkt wird eine Musterbetriebsvereinbarung zur Verfügung gestellt werden.

 


Was sind die Vorteile einer Betriebsvereinbarung?


Sie kann Transparenz und Rechtssicherheit schaffen. Außerdem kann durch die Festlegung eines Verfahrens prozedurale Gerechtigkeit und Gleichbehandlung erreicht werden.
Der Gesetzgeber nennt keine konkreten Kriterien für die Bestimmung der jeweiligen Vergleichsmaßstäbe. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung ist freiwillig.
Die Betriebsparteien haben einen weiten Beurteilungsspielraum.

 


Ist eine „hypothetische Karriere“ möglich?


Das BAG spricht in diesem Zusammenhang von einem „fiktiven Beförderungsanspruch“ (BAG vom 20.01.2021 – 7 AZR 52/20, Rn. 24). Darauf verweist auch die Gesetzesbegründung und stellt damit klar, dass es sie gibt.

 


Muss ich mich als freigestelltes BR-Mitglied auf eine Stelle bewerben?


Das BAG unterscheidet drei Varianten des „fiktiven Beförderungsanspruchs“:


(1) Die Bewerbung auf eine bestimmte Stelle ist wegen der Freistellung und/oder der Be-triebsratstätigkeit erfolglos geblieben.
(2) Die Bewerbung ist wegen der Freistellung unterblieben und wäre ohne die Freistellung erfolgreich gewesen.
(3) Die tatsächliche oder fiktive Bewerbung scheitert an fehlenden aktuellen Fachkenntnis-sen oder daran, dass der Arbeitgeber wegen der Freistellung die fachliche und berufliche Qualifikation nicht beurteilen kann.
Die Darlegungs- und Beweislast für eine unzulässige Benachteiligung wegen des Betriebs-ratsamts trägt grundsätzlich das Betriebsratsmitglied. Für innere Tatsachen des Arbeitge-bers gilt jedoch eine Beweislasterleichterung nach der Rechtsprechung des BAG.

 


Muss diese Stelle besetzt sein oder kann man sich auf eine besetzte Stelle bewerben?


Der fiktive Beförderungsanspruch knüpft immer an die Besetzung einer konkreten Stelle an. Gibt es im Betrieb eine freie Stelle, dessen Anforderungsprofil das Betriebsratsmitglied er-füllt, kann das freigestellte Betriebsratsmitglied auf diese Stelle versetzt werden. Es müs-sen lediglich die Voraussetzungen für den fiktiven Beförderungsanspruch erfüllt sein. Ver-zichtet das Betriebsratsmitglied jedoch auf seine Freistellung nicht, wird der Arbeitgeber die Stelle regelmäßig zusätzlich mit einem anderen Bewerber besetzen müssen (Doppelbe-setzung), um den Betriebsablauf zu gewährleisten.

 


Gibt es Grenzen für die Stellenbesetzung mit einem BR-Mitglied?


Unvertretbare Eingruppierungen führen weiterhin zur zivilrechtlichen Unwirksamkeit. Das ist der Fall, wenn das BR-Mitglied und der Arbeitgeber vernünftigerweise nicht davon ausgehen konnten, eine zutreffende Bewertung über die hypothetische Gehalts- oder Karriere-entwicklung vorgenommen zu haben.

 


Können im Amt erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen berücksichtigt werden?


Die Gesetzesbegründung lässt das ausdrücklich zu. Voraussetzung ist, dass die durch und während des Betriebsratsamtes erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen im Betrieb für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant sind. Sie sind das Ergebnis eines individuellen Lernprozesses des Betriebsratsmitglieds und nicht ohne weiteres durch eine Funktion im Betriebsrat oder in einem seiner Ausschüsse oder Gremien vorgegeben.

 


Welche Kriterien sind nicht zu berücksichtigen?


Kein zulässiges Kriterium ist, dass Betriebsratsmitglieder mit Vorständen und Managern „auf Augenhöhe verhandeln“ oder „komplexe Aufgaben“ wahrnehmen oder in „unternehmerische Entscheidungskomplexe eingebunden“ sind. Hier knüpft die Gesetzesbegründung an die BGH-Entscheidung an. Ohne Bezug zu einer konkreten Stelle im Betrieb und dessen Anforderungsprofil besteht kein Anspruch auf eine höhere Vergütung nach § 78 Satz 2 BetrVG. Der bloße Zuwachs an Kompetenzen, Kenntnissen und Fähigkeiten während der Amtsausübung als Betriebsratsmitglied reicht nicht aus. Auch bei anderen Beschäftig-ten führt der bloße persönliche Kompetenzzuwachs nicht ohne weiteres zu einem höheren Vergütungsanspruch.

 


Wie sieht der Zeitplan für das weitere Gesetzgebungsverfahren aus?


14.12.2023: Bundestag 1. Lesung
15.12.2023: Bundesrat 1. Durchgang
22.2.2023: Bundestag 2./3. Lesung
22.3.2024: Bundesrat 2. Durchgang


Das Gesetz muss anschließend vom Bundesarbeitsminister und dem Bundeskanzler gegengezeichnet, vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden.
Inkrafttreten: Am Tag nach der Verkündung

 



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IG Metall, Wilhelm-Leuschnerchner-Str. 79, 60329 Frankfurt, vertreten durch den Vorstand, 1. Vorsitzende: Christiane Benner

V.i.S.d.P./Verantwortlich nach § 18 Abs. 2 MStV: Peter Kippes, Funktionsbereich Betriebspolitik,Wilhelm-Leuschner-Str. 79, Frankfurt Kontakt: vorstand@igmetall.de

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